Wie die Welt sich wandelt

DAAD/Eric Lichtenscheidt

Christian Müller, Stellvertretender Generalsekretär des DAAD

Der DAAD beobachtet, dass autoritär arbeitende Regierungen nach außen einen nationalistischen Diskurs pflegen, gleichzeitig ihren Hochschulen aber mehr Internationalität und Exzellenz verordnen, damit sie in der Ausbildung wettbewerbsfähig bleiben. Für den DAAD bedeutet dies, dass seine Aufgaben wachsen.

In diesen Tagen sind die Leiterinnen und Leiter der DAAD-Außenstellen in Bonn und Berlin in Gesprächen; vor kurzem ist auch der Band mit den Außenstellenberichten 2018 erschienen. Lässt sich aus den Berichten ein Trend, lassen sich Parallelen zu den Entwicklungen in verschiedenen Ländern herauslesen? Offensichtlich ist die Welt eine andere geworden: Viele politische Führungen, die bis gestern dialogbereit, multilateral, zumeist demokratisch und weltoffen waren, schotten sich heute ab, sind zunehmend autoritär, spielen die nationale Karte. Zum Beispiel Brasilien: Ein ultrarechter ehemaliger Fallschirmjäger gibt sich rassistisch, frauenverachtend und homophob und wird mit diesem Weltbild zum Präsidenten von mehr als 200 Millionen Brasilianern gewählt. Oder China: Hier verbindet sich der steigende Wohlstand mit einem Anwachsen staatlicher Überwachung und autoritärer Strukturen. In der „gelenkten Demokratie“ Russlands wiederum kommen zunehmend repressive Machterhaltungstechniken zum Einsatz.

Das ist der eine Blick auf den Wandel der Welt. Der andere ist der, dass die Welt sich weiterhin ungebremst miteinander verschränkt. Denn die Wirtschaft geht den gegenteiligen Weg. Die digitale Vernetzung und die Logik der zunehmend arbeitsteiligen Wertschöpfungsketten lässt die Weltwirtschaft immer stärker zu einem einzigen weltweiten Produktions- und Marktplatz verschmelzen.

Diese zunehmend rasante Globalisierung stellt neue Anforderungen an die Arbeitsplätze der Zukunft. Wer hier bestehen will, braucht Fachleute mit entsprechend internationalem Profil. Damit ändern sich auch die Anforderungen an die Hochschulen. Akademische Ausbildungen werden internationaler, praxisnäher und berufsorientierter mit der Folge, dass die Hochschulen selbst weltweit immer stärker miteinander konkurrieren, aber auch stärker kooperieren wollen.

Zum Beispiel Polen: Die Regierung setzt allen Widerständen im eigenen Land und in Europa zum Trotz auf einen nationalen Kurs und realisiert dafür eine Reform nach der anderen. Für den Hochschulbereich aber schreibt sie in ihrer sogenannten Verfassung für die Wissenschaft Forschungsexzellenz und Internationalisierung fest.

China internationalisiert seinen Hochschulbereich immer schneller und investiert nach den USA inzwischen so viel finanzielle Ressourcen in Hochschulen und Forschung wie kein anderes Land der Welt. Das Reich der Mitte publiziert bereits die meisten wissenschaftlichen Artikel weltweit, steht mit der Peking- und der Tsinghua-Universität in der Spitzengruppe der Hochschul-Rankings und vergibt an zahlreiche internationale Studierenden Stipendien, damit sie zum Studium nach China kommen.

Die Liste der Länder, die auf das Potenzial von Wissenschaft, guter Lehre und Ausbildung für Entwicklung und Fortschritt setzen und entsprechend investieren, ist ebenso lang wie erfreulich. Die Länder Ostafrikas geben heute 15 Prozent ihrer öffentlichen Ausgaben für Bildung aus. Frankreich will die Willkommenskultur stärken, um die Zahl der internationalen Studierenden von heute 324.000 auf 500.000 im Jahr 2027 zu erhöhen.

Indien, das voraussichtlich innerhalb der kommenden Jahre China als bevölkerungsreichstes Land ablösen wird, will die Zahl der Studienplätze um 10 Prozent ausbauen und mit der „Study-in-India“-Kampagne die Zahl der ausländischen Studierenden an indischen Hochschulen mittelfristig deutlich steigern.

Mit dieser Entwicklung wachsen auch die Aufgaben und Handlungsfelder für den DAAD kräftig. Die Strukturen des DAAD sind darauf gut vorbereitet. Die Außenstellen halten den Kontakt mit den Partnern vor Ort, beobachten die politische, wirtschaftliche, soziale und hochschulpolitische Situation im jeweiligen Gastland und stellen diese Expertise den deutschen Hochschulen zur Verfügung.

Umgekehrt bieten sie den Hochschulen, Studierenden und Ministerien in den Gastländern Informationen und Beratung über das deutsche Hochschulwesen und die Studienmöglichkeiten in Deutschland an. Dabei arbeiten sie eng mit den deutschen Botschaften, dem Goethe-Institut, der Alexander von Humboldt-Stiftung, den Hochschulen und anderen Wissenschaftsorganisationen zusammen. Von wachsender Bedeutung sind auch die Deutschen Wissenschafts- und Innovationshäuser (DWIH), die von den jeweiligen DAAD-Außenstellenleitern geführt werden und an denen sich die Kooperation mit anderen Organisationen am deutlichsten manifestiert.

Für die Internationalisierungsstrategien der deutschen Hochschulen ist differenziertes Wissen über Wissenschaftssysteme, Standorte und zuverlässige Partner dringend erforderlich. Hier leisten die Außenstellen, die Informationszentren, die DWIHs, die vom DAAD vermittelten Lektorinnen, Lektoren, Dozentinnen und Dozenten eine wichtige und einzigartige Arbeit.

Christian Müller (3. Juli 2019)

Der Gastbeitrag von Christian Müller, dem Stellvertretenden Generalsekretär des DAAD, ist zuerst erschienen im Außenstellenbericht 2018.

Weitere Informationen

Im Außenstellenbericht informieren die Leiterinnen und Leiter der DAAD-Außenstellen einmal pro Jahr detailliert und pointiert über die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in den von ihnen betreuten Ländern – und natürlich darüber, wie sich Forschung, Lehre und Förderungslandschaft dort entwickeln und wie sich der DAAD vor Ort engagiert. Der Außenstellenbericht 2018 ist jüngst erschienen. Er gibt einen detaillierten Überblick über 15 DAAD-Außenstellen. Zum Download geht es hier.