MDLAB: Die Medienkompetenz in der arabischen Welt stärken

MDLAB/Lynn El Jbeily

So engagiert wie Jeida Elkersh von der Freien Universität Berlin diskutierten zahlreiche Teilnehmende während der Media and Digital Literacy Academy of Beirut (MDLAB)

Wie lässt sich Propaganda entlarven? Was bewirken die Sozialen Medien? Welche Stereotype tauchen in der Berichterstattung immer wieder auf? Solche Fragen behandelte vom 6. bis zum 18. August die Media and Digital Literacy Academy of Beirut (MDLAB) an der Lebanese American University (LAU). 75 Studierende, Journalisten, Hochschuldozenten und Aktivisten kamen in Beirut zusammen. Seit 2013 bietet das Format MDLAB Vorträge von internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Workshops und Podiumsdiskussionen.

MDLAB Beirut 2018

MDLAB/Lynn El Jbeily

Gruppenbild des MDLAB 2018: unterschiedliche Persönlichkeiten, vielfältige Themen

2018 lag der Fokus beim MDLAB auf Themen wie Fake News, Medienstrategien terroristischer Organisationen sowie Feminismus. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des LAB kommen insbesondere aus der Arabisch sprechenden Welt. Mit Unterstützung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) waren auch fünf Studierende von der Freien Universität (FU) Berlin sowie FU-Wissenschaftlerin Dr. Anna Antonakis dabei. Gefördert wurde die Teilnahme der Gruppe aus Mitteln des Auswärtigen Amts für die DAAD-Programme der Deutsch-Arabischen Transformationspartnerschaft. Dr. Anna Antonakis gestaltete das Vorlesungsprogramm mit und ging in ihrem Vortrag auf unterschiedliche feministische Bewegungen im Zusammenhang mit Hashtags wie #MeToo oder #Taharrush ein.

Vortrag von Dr. Anna Antonakis beim MDLAB 2018

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Bei der Academy erarbeiten zudem jedes Jahr junge Dozenten aus arabischen Ländern Lehrpläne zum Thema Medienkompetenz. „Bislang gibt es hiervon nur wenige in arabischer Sprache“, sagt Carola Richter, Professorin für Internationale Kommunikation an der FU Berlin und dort gemeinsam mit Anna Antonakis Projektleiterin für das MDLAB. Mithilfe der neuen Lehrpläne fließt das Wissen an immer mehr Universitäten in die Ausbildung von Medienschaffenden ein. Teil der Academy sind zudem Praxiseinheiten. Hier lernen die Teilnehmenden, wie sie ihre Themen mittels digitaler Tools aufbereiten und über Soziale Medien verbreiten können. Während des MDLAB erstellen sie eigene Filme, Blogbeiträge oder Podcasts.

MDLAB Beirut 2018

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Jeida Elkersh: "Die Academy hat mich unglaublich motiviert"

Jeida Elkersh, 20 Jahre, studiert an der Freien Universität (FU) Berlin Publizistik und Kommunikationswissenschaften.
 

Frau Elkersh, warum beschäftigen Sie sich mit dem Thema Media and Digital Literacy?

Medien bieten manchen Menschen den einzigen Berührungspunkt zu Themen, mit denen sie in ihrem persönlichen Umfeld ansonsten nicht in Kontakt kommen. Medien konstruieren somit bestimmte Strukturen in der Gesellschaft. Es ist deshalb wichtig, jedem bewusst zu machen, dass er kritisch mit Medieninhalten umgehen sollte.

Was hat sie motiviert, beim MDLAB mitzumachen?

In meinem Studium liegt der Fokus oft auf Entwicklungen in Deutschland und Europa. Ich komme ursprünglich aus Ägypten. Deswegen wollte ich die Gelegenheit nutzen, um mich mit Studierenden und Professoren aus der arabischen Region auszutauschen. Das MDLAB war dabei sehr bereichernd: Ich habe noch nie so viele Leute aus anderen arabischen Ländern kennengelernt. Gleichzeitig war es interessant zu sehen, wie man in einem internationalen Team zusammenarbeiten kann. Wir hatten einen Teilnehmer in unserer Arbeitsgruppe, der kein Arabisch sprach; ein anderes Teammitglied beherrschte kein Englisch. Wir mussten also zwischen Arabisch und Englisch hin- und herwechseln. Dennoch konnten wir uns immer sehr schnell auf ein Vorgehen einigen.

Woran genau haben Sie beim MDLAB gearbeitet?

Wir haben uns mit dem Thema „Toxic Masculinity“ beschäftigt: mit sozialen Werten und Normen, die Männlichkeit mit Gewalt, Aggression und der Unterdrückung eigener Gefühle verbinden. Wir haben uns dazu Serien und Filme aus dem arabischen Raum angeschaut. Dabei stellt man fest: Man findet immer wieder Männer, die sich schlagen, die schreien, rauchen, trinken – also das tun, was als männlich bezeichnet wird. Wir haben dann den Forschungsstand zu dem Thema zusammengestellt und Interviews mit Männern in Beirut geführt. Mit einer Social-Media-Kampagne wollen wir nun auf das Thema aufmerksam machen. Insgesamt hat mich die Academy unglaublich motiviert. Ich möchte jetzt auch selbst journalistisch aktiv werden.

Während des MDLAB produziertes Video über Toxic Masculinity

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Haider Hamzoz, 29 Jahre, aus Bagdad, ist Digital Trainer beim MDLAB und leitet unter anderem ein Netzwerk für Blogger und Bürgerjournalisten im Irak.
 

Herr Hamzoz, warum spielt das Thema Medien- und Digitalkompetenz in der arabischen Welt eine wichtige Rolle?

Die Menschen werden immer stärker mit Fake News konfrontiert. Es gibt viele Leute, die dem, was sie auf Facebook lesen, sehr stark vertrauen. Ich kann mich noch daran erinnern, wie meine Mutter mir kürzlich sagte, die USA würden den Irak angreifen. Als ich sie fragte, woher sie die Information habe, meinte sie schlicht: Nun ja, das habe ich auf Facebook gelesen. Viele Leute machen sich leider keine Gedanken darüber, welche Quellen hinter einer Information stecken. Es gibt aber auch schon sehr gute Initiativen im Irak, die gegen Fake News vorgehen, so wie das PeaceTech Lab. Wer sich nicht sicher ist, ob eine Nachricht vielleicht Fake News ist, geht einfach auf diese Seite und kann das dort überprüfen.

MDLAB Beirut 2018

MDLAB/Lynn El Jbeily

Haider Hamzoz: "Die Teilnehmer erstellen hier ja nicht nur journalistische Inhalte, sondern verbinden diese auch immer mit Lösungen"

Gibt es ein Thema, das zuletzt besonders an Bedeutung gewonnen hat?

Journalisten wollen zum Beispiel stärker wissen, wie sie ihre Daten und somit auch ihre Informanten vor einem Zugriff schützen können. Beim MDLAB habe ich deshalb unter anderem gezeigt, wie man sichere Internet-Browser nutzt und seine Passwörter schützt.

Was kann das MDLAB aus Ihrer Sicht bewirken?

Die Teilnehmer erstellen hier ja nicht nur journalistische Inhalte, sondern verbinden diese auch immer mit Lösungen. So hat sich beispielsweise eine Gruppe mit dem Thema Autismus beschäftigt und dazu eine Initiative gestartet. Dabei soll es darum gehen, wie man die Situation für Autisten verbessern kann. Was beim MDLAB aber genauso wichtig ist, ist das Netzwerken untereinander. Ich beispielsweise habe Kontakte zu Teilnehmern aus Jordanien geknüpft, wo ich demnächst Studierende unterrichte. So kann ich das Wissen auch über das MDLAB hinaus weitergeben. Denn wir brauchen viele Veranstaltungen und Workshops wie diese hier. Nur so können wir immer mehr Bürger in die Lage versetzen, auch selbst etwas gegen Fake News zu tun.

MDLAB Beirut 2018

MDLAB/Lynn El Jbeily

Rabbie Hamamsah: "Hier werden auch Journalisten noch einmal dafür sensibilisiert, immer wieder die derzeitige Nachrichtenlage zu hinterfragen"

Rabbie Hamamsah, 33 Jahre, aus Amman ist Korrespondent für BBC News in Jordanien; auch seine Teilnahme am MDLAB wurde vom DAAD gefördert.
 

Herr Hamamsah, was gefällt Ihnen am MDLAB?

Mir gefällt, dass hier Teilnehmer mit ganz unterschiedlichen Hintergründen – Studierende, Journalisten und Hochschuldozenten – aus unterschiedlichen Ländern und damit auch mit unterschiedlichen Perspektiven zusammenkommen. Gerade für mich als Journalist ist es interessant, weil ich hier neue Kontakte knüpfen kann und im Gespräch immer wieder auf neue Themen stoße. Beim MDLAB bin ich zum Beispiel wieder auf das Thema Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz aufmerksam geworden, das in einem Beitrag thematisiert wurde. Als ich das gesehen habe, habe ich gedacht: Wie sieht es eigentlich derzeit mit den Unterschieden in der Bezahlung zwischen Männern und Frauen in Jordanien aus? Das Thema will ich mir jetzt genauer anschauen und darüber berichten.

Woran haben Sie hier beim MDLAB gearbeitet?

Wir haben ein Video gemacht, in dem wir auf die Abfallprobleme im Libanon eingehen. Das ist ein großes Thema im Land. Wir haben in dem Beitrag die Hintergründe erläutert, Stimmen von Bürgern eingefangen und Lösungen vorgestellt. Außerdem haben wir eine Kampagne unter dem Hashtag #Tidiness_is_Culture auf Facebook gestartet und Ideen von Studierenden der Lebanese American University eingeholt. Die Reaktionen waren überwältigend: Wir haben unglaublich viele Ideen dazu bekommen, was man tun könnte. In einem Monat wollen wir die Lösungsvorschläge dem Beiruter Stadtrat vorlegen.

Video zu #Tidiness_is_Culture

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Warum ist Media and Digital Literacy aus Ihrer Sicht ein wichtiges Thema?

Die Zahl der Fake News nimmt immer mehr zu. Gleichzeitig hinterfragen viele Bürger Nachrichten nicht. Deswegen ist eine Veranstaltung wie das MDLAB auch so wichtig: Hier werden auch Journalisten noch einmal dafür sensibilisiert, immer wieder die derzeitige Nachrichtenlage zu hinterfragen und sich viele Quellen zu suchen. Davon profitieren sie – und letztlich auch die Bürger.

Hendrik Bensch (3. September 2018)