Deutsch im Wissenschaftsaustausch: „Ein attraktives Profil“

FCom/Tim Wegner

Christian Fandrych: "Seit einigen Jahren wächst im Mittleren und Nahen Osten, den Ländern Nord­afrikas sowie in China, Vietnam und Indonesien der Bedarf an Deutschkursen"

In vielen Ländern wächst das Interesse an der deutschen Sprache. Doch was sind die Anforderungen an die Vermittlung von Deutsch als Fremdsprache – und an die internationalen Deutschlerner? Ein Interview mit dem Sprachwissenschaftler Professor Christian Fandrych.

Prof. Dr. Christian Fandrych hat am Herder-Institut der Universität Leipzig die Professur für Linguistik des Deutschen als Fremdsprache inne. Für seine Verdienste in den Feldern Kontrastive Linguistik und Sprachdidaktik wurde er im März 2018 mit dem Konrad-Duden-Preis ausgezeichnet. Dem DAAD ist Fandrych auf vielfache Weise verbunden: Von 1993 bis 1996 arbeitete er als DAAD-Lektor und DAAD-Kurzzeitdozent am Fremdsprachenzentrum (CELE) der Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM). Von 2012 bis 2016 war Fandrych Vorsitzender des Beirats Germanistik des DAAD und bis 2017 Mitglied in der DAAD-Lektorenauswahlkommission für Nordafrika sowie Länder des Nahen und Mittleren Ostens.

Herr Professor Fandrych, welche Rolle nimmt Deutsch im Wissenschaftsaustausch heute ein?

Christian Fandrych: Ganz klar: Für den wissenschaftlichen Austausch ist Englisch mit Abstand das wichtigste Kommunikationsmittel. Im Vergleich mit anderen Sprachen zeigt das Deutsche allerdings ein attraktives Profil: Es steht für eine zentrale Region der Europäischen Union, die wirtschaftlich und wissenschaftlich sehr stark ist und für den internationalen Austausch lohnende Perspektiven bietet. Das deutsche Ingenieurwesen, der Maschinenbau und die angewandten Technologien der deutschen Fachhochschulen sind international sehr angesehen.

Chancen im bilateralen Austausch mit Deutschland – in welchen Ländern gilt die deutsche Sprache dafür als Wegbereiter?

Traditionell zeigen die Staaten Mittelosteuropas ein großes Interesse an Deutsch als Fremdsprache (DaF). Seit einigen Jahren wächst aber im Mittleren und Nahen Osten, den Ländern Nord­afrikas sowie in China, Vietnam und Indonesien der Bedarf an Deutschkursen und damit an einer institutionalisierten Deutschlehrerausbildung. Studierende aus diesen Ländern lernen meist Deutsch, weil sie später in Deutschland einen Masterstudiengang belegen, promovieren oder als Postdoc arbeiten möchten. Daneben existieren einige sehr sichtbare Hochschulprojekte wie die Türkisch-Deutsche Universität in Istanbul, deren Unterrichtssprache überwiegend Deutsch ist, oder die Deutsch-Jordanische Hochschule in Amman, die Studierenden eine Ausbildung gemäß dem deutschen Fachhochschulmodell bietet und ein obligatorisches Jahr in Deutschland beinhaltet.

Deutsch als Fremdsprache: Interview mit Professor Christian Fandrych

FCom/Tim Wegner

Christian Fandrych konstatiert für Deutsch als Fremdsprache einen Bedeutungszuwachs in den Feldern Übersetzung und Sprachmittlung, Wirtschaft, Touristik und Lehrberufe

Haben sich mit der globalisierten Wirtschaft und der Internationalisierung der Wissenschaft die Anforderungen an den DaF-Unterricht im Ausland gewandelt?

Die traditionelle Germanistik, die neben dem Fremdsprachenunterricht ihren Schwerpunkt bei der deutschen Kultur und Literatur setzt, ist international eher im Rückgang. Dafür gewinnen Studiengänge, die sich an der Berufspraxis orientieren – also in Übersetzung und Sprachmittlung, Wirtschaft, Touristik und Lehrberufen – an Bedeutung. Zudem hat insbesondere der spezialisierte Wortschatz für Ingenieurstudiengänge und die Wirtschaftssprache an Relevanz gewonnen. Problematisch ist, dass weltweit ein großer Mangel an Deutschlehrern besteht, unter anderem weil international zu wenig Studiengänge für DaF existieren.

Beim Aufbau neuer binationaler Germanistik-Studiengänge, etwa an der Ain-Shams-Universität Kairo, haben Sie intensiv mitgewirkt. Wo liegen hier die besonderen Herausforderungen?

Vor allem in der Vorbereitung der internationalen Germanistik-Studierenden auf ihr Auslandssemester in Deutschland: Die Bewältigung des deutschen Hochschulalltags erfordert einiges an sprachlichem und kommunikativem Können. Deshalb müssen die Studierenden von ihrer Heimathochschule rechtzeitig, am besten bereits ab dem ersten Semester, geschult und gefördert werden. Gerade die wissenschaftlichen und wissenschaftssprachlichen Anforderungen gilt es zu vermitteln.

Vokabellernen reicht also nicht. Was sollten internationale Deutschlerner berücksichtigen?

Es ist wichtig, die kommunikativen Praktiken und Gesprächsformate an deutschen Hochschulen kennenzulernen, da sie sich häufig von denen des jeweiligen Herkunftslandes unterscheiden. Internationale Studierende kennen zum Teil die spezifischen Anforderungen an deutschen Hochschulen nicht, beispielsweise in Bezug auf Hausarbeiten, Referate und Prüfungen. Für manche ist auch ungewohnt, dass von ihnen erwartet wird, sich aktiv am Seminargeschehen zu beteiligen. Hinsichtlich des Fremdsprachenerwerbs zeigt sich zudem der Unterschied zwischen der Fachterminologie und der sogenannten alltäglichen Wissenschaftssprache. Fachausdrücke lernen Studierende relativ schnell, da sie im Grunde Etikettenaustausch be­deuten, also die Verständigung über spezielle, klar umrissene Begriffe. Schwieriger sind Wörter und Wendungen, die zwischen den Fachtermini stehen und dazu dienen, Argumente zu begründen, Überleitungen zu formulieren oder Forschungsergebnisse zusammenzufassen. Was hier bislang fehlt, sind lexikalische Hilfsmittel, also Wörterbücher der alltäg­lichen Wissenschaftssprache.  

Welche Innovationen wären außerdem im Bereich DaF wünschenswert und sinnvoll?

In der Ausbildung der Studierenden halte ich Projekte für empfehlenswert, die sich an konkreten Kontexten orientieren – Theorie und Praxis sollten sich stärker durchdringen. Zudem sollten wir uns innerhalb der Forschung auf die spezifischen Anforderungen der internationalen Deutschlerner und deren Hürden beim Fremdspracherwerb konzentrieren. Mit den Ergebnissen wäre ein zielgruppengerechter Unterricht mit erweiterten Lehr- und Lernmaterialien möglich. Eine Individualisierung des Lernens bringt auch die Digitalisierung mit sich – und damit die Nachfrage nach flexiblen Lehr- und Lernformen.   

Im Frühjahr 2018 wurden Sie für Ihr Engagement im Fach Deutsch als Fremdsprache mit dem Konrad-­Duden-Preis geehrt. Was motiviert Sie, sich mit diesem Teil der Germanistik intensiv auseinanderzusetzen?

Der Austausch mit Menschen verschiedenster Herkunft hat mich schon immer bereichert. Deshalb finde ich auch die binationalen Programme besonders spannend. Zudem ist in meinen Augen eine Verbesserung der Lernmaterialien und eine Erweiterung des Wissens darüber, wie Fremdsprachen erworben werden, für den internationalen Austausch und die Entwicklung unserer Gesellschaft wichtig.

Interview: Christina Pfänder

Das Interview mit Professor Fandrych ist zuerst im DAAD-Magazin LETTER auf Deutsch und Englisch erschienen.