Umweltveränderungen auf den Grund gehen

Forschung in Tausenden Metern Tiefe: Sieben Universitäten aus sechs europäischen Ländern entwickeln gemeinsam innovative Lösungen, um die Entwicklung der Ozeane zu beobachten.

Unterwassersystem Forschungsschiff FS ALKOR

Im Klimasystem der Erde sind Ozeane eine wichtige stabilisierende Kraft: Sie nehmen einen großen Teil der überschüssigen Wärme auf und sind gigantische CO2-Speicher. Doch die fortschreitende Erderwärmung führt nicht nur zum Anstieg des Meeresspiegels, sondern schädigt auch die Ökosysteme unter Wasser. 2019 legte der Weltklimarat IPCC einen Sonderbericht zur Lage der Ozeane vor und warnte vor dramatischen Konsequenzen für Mensch und Natur. Zu den Belastungen durch den Klimawandel kommen Umweltschäden durch Plastikmüll, Öl- und Gasbohrungen, Wind- und Wellenkraftwerke sowie Fischerei und Aquakulturen. Und schon bald könnten erste Tiefseebergbau-Projekte im Pazifik zur Förderung von Kobalt, Mangan und anderer Metalle starten, die mit neuen Umweltrisiken einhergehen.

„Vor diesem Hintergrund werden Technologien zur Beobachtung von Umweltveränderungen in den Ozeanen immer wichtiger“, sagt Prof. Dr. Ralf Bachmayer, Inhaber des Lehrstuhls für „Marine Umwelttechnologie/Tiefsee Ingenieurwissenschaften“ am Forschungsinstitut MARUM der Universität Bremen. Bachmayer koordiniert das im Rahmen von Erasmus+ geförderte Projekt „Intelligent Marine systems – a Pathway towards sustAinable eduCation, knowledge and empowerment“ (IMPACT). Beteiligt sind sieben Universitäten aus Deutschland, Kroatien, Portugal, Spanien, Griechenland und Estland. Jede Hochschule ist auf ein anderes Teilgebiet der Meeresrobotik spezialisiert. Gemeinsam bilden sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus und entwickeln neue Tools, um die Umwelt zu beobachten und Messungen durchzuführen. Die Ergebnisse helfen Meeresforscherinnen und -forschern, genauere Angaben über die klimabedingen Veränderungen der Meere und Ozeane zu machen.

Wie Segelflugzeuge unter Wasser

Der Begriff „Intelligent Marine Systems“, der sich am ehesten mit „Unbemannte Unterwassersysteme“ übersetzen lässt, umfasst sowohl sogenannte „Remotely Operated Vehicles“, die an Schiffen befestigt sind und in bis zu 6.000 Meter Tiefe eingesetzt werden können, als auch autonome Unterwasser-Fahrzeuge. Zu ihnen gehören Unterwassergleiter, die sich durch Gewichtsveränderung im Wasser wie Segelflugzeuge frei auf und ab bewegen. „In Unterwassersystemen sind die Anforderungen an Software und Hardware sehr vielfältig“, erklärt Bachmayer. „Alles muss autark funktionieren.“

Kommunikationstest Unterwassersystem Meeresbodenstation

Durch IMPACT ist ein internationales, interdisziplinäres Netzwerk von Expertinnen und Experten in diesem Bereich entstanden. „Im Austausch können wir bessere Ergebnisse erzielen und innovative Lösungen entwickeln“, sagt Bachmayer. Und: „Wir wollen bei Studierenden möglichst früh Begeisterung für Meeresumweltforschung wecken.“ Denn Fachleute für Robotik sind bei Industrieunternehmen so gefragt, dass sich nur wenige Absolventinnen und Absolventen für eine Karriere in der Wissenschaft entscheiden.

Gemeinsam haben die Projektbeteiligten ein interdisziplinäres Online-Studienmodul „Intelligent Marine Systems“ entwickelt, das Hochschulen in der ganzen Welt verwenden können. Erfolgreich erprobt und aufgezeichnet wurde es bei einer Sommerschule für Studierende 2019 in Kroatien. Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben das neu erlangte Wissen bereits für problembezogene Projektarbeit genutzt. Gemeinsam mit anderen Studierenden sammelten sie in Laborversuchen und Simulationen Testdaten und entwickelten auf dieser Grundlage eine Software, die Hydrothermalquellen in der Tiefsee erkennt. Diese natürlich entstandenen Unterwasser-Geysire tragen möglicherweise stärker zum Wärmehaushalt der Meere bei als bislang vermutet. Ihren Anteil an der Erwärmung zu beziffern wäre hilfreich, um auch den Einfluss anderer Faktoren genauer quantifizieren zu können.

Kick-off-Treffen IMPACT

Im Wintersemester 2020 startet ein zweites Online-Studienmodul zum Thema Entrepreneurship. Es soll Studierende mit innovativen Ideen ermutigen, diese durch die Gründung eines eigenen Unternehmens zu verwirklichen.

Die Impact-Partner trafen sich seit 2018 dreimal – in Bremen, Tallinn und Zagreb. Im Mittelpunkt des jüngsten Treffens stand die Frage, wie Frauen im von Männern geprägten Gebiet der Robotik besser gefördert werden können. „Unser Projekt liegt thematisch an der Schnittstelle zwischen Bildung, Umweltschutz und Innovation“, sagt Bachmayer. Damit trägt es zu mehreren Nachhaltigkeitszielen bei: zum Schutz von Klima und Ozeanen, zu besserer Bildung, Geschlechtergleichheit, Innovation und Wirtschaftswachstum.

 

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